Polyrhythmik in klassischer europäischer Klavierliteratur

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Man kann Musik unterteilt sehen in die Bestandteile

  • Melodie
  • Harmonie
  • Klang
  • Rhythmik

Die Rhythmik habe ich bewusst an die letzte Stelle gesetzt, denn sie ist in der europäischen Musikkultur eher schlecht verankert. Die übliche Popularmusik besteht aus Takten zu vier Viertelnoten. Selten kommt es zu fünf (mir fallen Stücke ein wie »Take Five« von Paul Desmond oder »Living in the past« von Jethro Tull) und noch seltener zu sieben Viertelnoten (wie in »Infinite Space« von Emerson, Lake, and Palmer). Allgemein gesprochen tun wir uns mit ungeraden Metren (¾-Takte mal ausgenommen) generell schwer.

Selbst wenn man im 4/4-Takt bleibt tun sich Durchschnittsmusiker bereits beim Auftreten von Triolen schwer, und bei Quintolen muss man die Komfortzone bereits so weit verlassen, dass man an den Rand der Panik gerät. Angeblich hat Joe Zawinul einmal in einem Interview behauptet: »Ich höre einen europäischen Drummer aus 10.000 anderen heraus.«. Und noch viel schwerer tun wir uns in Europa mit der Polyrhythmik.

Die gängige Notenschrift leistet ebenfalls ihren Beitrag dabei, dass rhythmische Ideen schwierig zu portieren sind. Früher oder später stolpert man als Pianist über schwierig zu verstehende polyrhythmische Passagen in klassischen Werken wie in Ludwig van Beethovens »32 Variationen c-moll« oder Sonata N° 8 Op.13 in c-Moll[1], Fryderyk Franciszek Chopins e-moll-Prélude oder Nocturne Op. 9 N°. 1 oder auch Claude Debussys Arabesque No. 1 (Ciccolini).

Hilfestellung zum Selbststudium findet sich im PDF »Klavier spielen – Zwei gegen Drei – Anmerkungen und Übungen zu polyrhythmischem Spiel???«. Hier finden sich auf wenigen Seiten wertvolle Hinweise, Polyrhythmik in der Klavierliteratur richtig interpretieren und wiederzugeben zu können.

Das Dokument löst allerdings nicht das viel grundsätzlichere Problem, nämlich dass wir in Europa die Rhythmik nicht verinnerlicht haben. Wer sich damit auseinandersetzen will, benötigt einen systematischeren Ansatz.


[1] Hier hat sich übrigens auch Jethro Tull bedient, zu finden im Livemitschnitt »By Kind Permission Of« auf dem Album »Living in the past« von 1972.