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Die Crux mit dem Fingersatz

Vor ziemlich genau drei Jahren habe ich begonnen, barocke Orgelliteratur zu spielen. Derzeit bin ich wieder intensiver an der Passacaglia von Dieterich Buxtehude (BuxWV 161) dran, die ich letztes Jahr zum Jahreswechsel schonmal geübt hatte. Damals dachte ich nicht, dass mich das Stück, im wahrsten Sinne des Wortes, noch so lange beschäftigen würde. Wie kann das sein?

Bis Juni diesen Jahres übte ich noch so, dass ich nur an wenigen kritischen Stellen Fingersätze in die Noten schrieb. Dazwischen vertraute ich darauf, dass meine Finger von alleine laufen, während ich das Stück im Kopf ablaufen lasse. Die Stücke übte ich stets, indem ich sie von vorne bis hinten durchspielte. Leider führt das nicht dazu, dass ich die Stück zuverlässig auf Anhieb spielen kann. Sie klappen immer erst beim dritten oder vierten Durchlauf “irgendwie”.

Inzwischen zerlege ich die Sücke in Fragmente, spiele stets mit dem gleichen Fingersatz, übe jedes Fragment mehrmals in Schleife und reduziere das Tempo so weit, dass ich jede Unzulänglichkeit sofort bemerke. Leider führt das noch immer nicht dazu, dass ich die Stücke zuverlässig erlerne. Es gibt Stellen, die zu spielen sich meine Finger schlicht weigern, egal wie oft ich sie übe und egal welchen Fingersatz ich bisher probierte.

Meine Fingersätze zielen darauf ab, alle Stellen vollkommen legato spielen zu können. Im Laufe der Zeit fange ich dann an zu entscheiden, wo ich bewusst nicht legato spielen möchte. So verfüge ich über den größtmöglichen Spielraum für die Interpretation. Zumindest theoretisch. Solange sich aber meine Finger weigern, habe ich exakt keinen Spielraum :) .

In seiner »Orgelschule zur historischen Aufführungspraxis« beschreibt Jon Laukvik ab Seite 36 den “Alten Fingersatz”. Dieser ist deutlich weniger auf Legato aus als der heutige, der Romantik bzw. Marcel Dupré entstammenden Technik mit vielen Daumenuntersätzen. Früher galt das Interesse viel stärker auf der Schwere der Zählzeiten als auf einem möglichst perfekten Legatospiel.

Heute bin ich zufällig über die Videoreihe »Von der Natürlichkeit der Fingerverteilung in der Musik von J.S.Bach« mit Ingo Bredenbach, bestehend aus Teil eins, zwei und drei, gestolpert, in denen er sich unter anderem auf Laukvik bezieht. Besonders spannend fand ich Teil 1 und die zweite Hälfte von Teil 3. Auch von Daniel Roth gibt es einen kurzen Ausschnitt zum Thema.

Ich werde versuchen mit den neuen Erkenntnissen nochmal an den Fingersätzen der Passacaglia zu arbeiten. Ob das die (Er)lösung bringt wird sich zeigen.

Saiteninstrumente mit Tastatur

Cristofori-Hammerflügel

Cristofori-Hammerflügel

Wenn man sich mit barocker Musikliteratur beschäftigt, stößt man immer wieder auf Bezeichnungen von Klaviaturchordophonen, bei denen man nicht genau weiß, welche Bauart genau gemeint ist. Das gilt umso mehr, wenn die Bezeichnungen in Fremdsprachen vorliegen. Hier eine kleine Übersicht der Hauptgruppen, die auch David Schrader in zwei Videos (erstes, zweites) in englischer Sprache vorstellt.

Klavichord

Das Klavichord (englisch Clavichord, französisch Clavichorde) ist das älteste der drei Gruppen. Die Mechanik ist relativ simpel. Am Ende der Taste ist eine sogenannte Tangente aus Metall angebracht. Drückt man die Taste, schlägt die Tangente gegen die Saite und versetzt sie dadurch in Schwingung. Dabei bildet die an der Saite anliegende Tangente auch gleichzeitig den Steg, der die Länge der Saite und somit die Tonhöhe bestimmt. Durch diese Eigenheit ist es seit alters her möglich, sogenannte gebundene Klavichorde zu bauen, bei denen sich mehrere Tasten eine Saite “teilen”, also mehrere Tonhöhen von ein und derselben Saite erzeugt werden (bei monophonen Synthesizern würde man hier von “highest note priority” sprechen). Bundfreie Klavichorde finden sich erst ab Ende des 17. Jahrhunderts.

Im Gegensatz zu den beiden anderen unten aufgeführten Chordophonen kann man den Ton eines Klavichords auch nach dem Anschlagen noch beeinflussen. Beispielweise lässt sich durch Nachdrücken der Saite nach dem Anschlagen noch ein Vibrato erzeugen (vergleichbar dem Aftertouch an Synthesizern).

Da die Saiten in ihrem Schwingungsknoten erregt werden, klingen Klavichorde verhältnismäßig leise und sind daher weniger für das Zusammenspiel mit anderen Instrumenten geeignet. Allerdings existiert mit dem Clavinet eine jüngere, elektrisch verstärkte Variante.

Aus Youtube findet sich ein Video von Steven Devine.

Cembalo

Beim Cembalo (englisch Harpsichord, französisch Clavecin) werden die Saiten nicht angeschlagen, sondern mit Kielen angerissen bzw. gezupft. Solange die Taste gedrückt gehalten wird, schwingt die Saite frei und unbeeinflusst von der Mechanik, weshalb keine nachträgliche Beeinflussung des Tones mehr möglich ist.

Beim Klaviziterium (englisch Clavicytherium, französisch Clavicythérium) ist der Korpus senkrecht ausgestaltet.

Das Virginal (englisch Virginals, französisch Virginal) und das Spinett (englisch Spinet, französisch Épinette) sind jeweils kleinere Bauformen.

Hammerklavier

Beim Hammerklavier (englisch Fortepiano, französisch Piano-forte) werden Hämmer gegen die Saite geschleudert. Durch die Bauweise der Mechanik ist eine dynamische Spielweise mit “Lautstärkeabstufungen” (tatsächlich werden weitere Parameter beeinflusst) möglich. Als Erfinder gilt Bartolomeo Cristofori.

Für die frühen Hammerklaviere gab es sehr viele Bauformen und Mechaniken, die sich auf den Klang auswirkten. Sie sind daher klanglich nur bedingt mit den modernen, weitestgehend “standardisierten” Klavieren bzw. Flügeln zu vergleichen

Tangentenflügel

Tangentenklaviere (englisch Tangent piano, französisch Piano à tangentes) sind Hybridinstrumente, die Eigenschaften aller drei oben beschriebenen Instrumente beinhalten.

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Der Speierling

Wir haben heute mal alle Flurstücke inspiziert. Auf einem haben wir ein schönes Exemplar des seltenen gewordenen Speierlings stehen. Zum Holz kann man Wikipedia entnehmen:

Der Speierling hat ein sandfarben bis rötliches – dem der Elsbeere sehr ähnliches – Splintholz und ein oft bräunlich abgesetztes, hartes und zähes Kernholz. Mit einem Trockengewicht von 0,88 g/cm³ (Darrdichte) ist es das schwerste europäische Laubholz.[22] Es wird im Werkzeugbau und für den Bau von Musikinstrumenten (Dudelsäcke) geschätzt, zum Schnitzen und Drechseln verwendet, sowie als wertvolles Möbel- und Furnierholz (unter dem Namen „Schweizer Birnbaum“) gehandelt.

François Espinasse am Weißenburger Instrument

Dank Bildschirmübertragung konnten wir heute François Espinasse rund eineinhalb Stunden bei der Arbeit zusehen. Von seiner routinierten Spieltechnik konnte ich einiges lernen. So ist es mitnichten “verboten”, auch mal mit einem Finger von Taste zu Taste zu hüpfen – manchmal geht es gar nicht anders. Auch kommt man manchmal nicht drum herum, mit der linken Hand neben der Bassstimme auch noch eine Stimme der rechten Hand mit zu übernehmen. Scheinbar mühelos greift er auch mal Dezimen.

Er hat ausschließlich Stücke des Barock ausgewählt, von denen einige eher selten zu hören sind. Wie er diese äußerst routiniert, rhythmisch korrekt und sehr musikalisch wiedergegeben hat hat mich beeindruckt. Hier das Programm:

  1. Georg Muffat (1653-1704) – Extrait de l’Apparatus musico-organisticus – Toccata secunda
  2. Louis Couperin (1626-1661) – Fugue sur le Cromhorne
  3. Louis Couperin (1626-1661) – Fantaisie
  4. Louis Couperin (1626-1661) – Fantaisie
  5. Johann Jakob Froberger (1616-1667) – Toccatas VI da sonarsi alla Levatione
  6. Francisco Correa de Arauxo (1584-1654) – Tiento de quarto tono
  7. Pieter Cornet (ca. 1575-1633) – Fantaisie du 1er ton
  8. John Bull (ca. 1562-1628) – The spanish Paven
  9. William Inglot (1554-1621) – The Leaves bee green
  10. William Byrd (1543-1623) – Galiarda
  11. Nicolas de Grigny (1672-1703) – Hymne Veni Creator – Hymne en taille à 5 (Plein Chant)
  12. Nicolas de Grigny (1672-1703) – Hymne Veni Creator – Fugue à 5
  13. Nicolas de Grigny (1672-1703) – Hymne Veni Creator – Duo
  14. Nicolas de Grigny (1672-1703) – Hymne Veni Creator – Récit de Cromorne
  15. Nicolas de Grigny (1672-1703) – Hymne Veni Creator – Dialogue sur les Grands Jeux

Christian Robischon am Weißenburger Instrument

Christian Robischon hat heute aus dem Instrument herausgeholt, was barocke Orgelmusik ausmacht. Das komplette Programm beschränkt sich auf den Zeitraum des Barock. Mit den Stücken versuchte er aufzuzeigen, welchen Einfluss die französische Musik auch auf die Nachbarländer nahm.

Das Instrument hat er meisterhaft beherrscht. Er hat nicht einfach nur Orgel gespielt, sondern das Instrument gleich einem Orchester genutzt. Artikulation, Agogik, Rhythmik, Metrik – alles passte. Die 60 Minuten waren schneller um, als man zuhören konnte.

Das Programm:

  • Nicolas Antoine Lebègue (1631-1702) – Magnificat du 6ème ton – Plein Jeu
  • Nicolas Antoine Lebègue (1631-1702) – Magnificat du 6ème ton – Duo
  • Nicolas Antoine Lebègue (1631-1702) – Magnificat du 6ème ton – Récit de Cornet
  • Nicolas Antoine Lebègue (1631-1702) – Magnificat du 6ème ton – Basse de trompette
  • Nicolas Antoine Lebègue (1631-1702) – Magnificat du 6ème ton – Récit de voix humaine
  • Nicolas Antoine Lebègue (1631-1702) – Magnificat du 6ème ton – Dialogue sur les Grands Jeux
  • Andrés Lorente (1624-1703) – medio registro de dos tiples
  • Sébastien Duron (1660-1716) – Gaitilla de mano izquierda
  • Maurice Greene (1696-1755) – Voluntary en ut mineur
  • Dietrich Buxtehude (ca. 1637-1707) – Choral »Gott der Vater wohn uns bei« (BuxWV 190)
  • Johann Sebastian Bach (1685-1750) – An Wasserflüssen Babylon (BWV 653)
  • Nicolaus Bruhns (1665-1697) – Prélude en mi mineur (le grand)
  • Nicolas de Grigny (1672-1703) – Hymne Ave maris stella – Plein Jeu
  • Nicolas de Grigny (1672-1703) – Hymne Ave maris stella – Fugue
  • Nicolas de Grigny (1672-1703) – Hymne Ave maris stella – Duo
  • Nicolas de Grigny (1672-1703) – Hymne Ave maris stella – Dialogue sur les Grands Jeux
  • Claude Balbastre (1727-1799) – Cortège en ré majeur

Aurore Baal am Weißenburger Instrument

Heute fand ein äußerst hörenswertes Konzert mit Aurore Baal aus Zug in der Schweiz statt. Nach Elise Rollin vor rund drei Wochen sind es immer wieder Damen am Instrument, die mich beeindrucken. Man hört außerdem sofort, wenn ein Organist das Handwerk auch auf einem Piano erlernt hat. Das gilt scheinbar ganz besonders für die Rhythmik in der Interpretation.

Die Stücke von Grigny waren im Programm lediglich in Summe als “Kyrie” bezeichnet. Bis auf eines konnte ich anhand der Noten die einzelnen Stücke identifizieren. Hier das Programm:

  • Nicolas de Grigny (1672-1703) – Kyrie de la Messe – 1er Kyrie en taille a? 5
  • Nicolas de Grigny (1672-1703) – Kyrie de la Messe – Fugue a? 5 qui renferme le chant du Kyrie
  • Nicolas de Grigny (1672-1703) – Kyrie de la Messe – Cromorne en taille a? 2 parties
  • Nicolas de Grigny (1672-1703) – Kyrie de la Messe – Trio en dialogue
  • Nicolas de Grigny (1672-1703) – Kyrie de la Messe – Unknown
  • Nicolas de Grigny (1672-1703) – Kyrie de la Messe – Dialogue sur les Grands Jeux
  • Johann Sebastian Bach (1685-1750) – Leipzig Chorales – Jesus Christus unser Heiland (BWV 666)
  • Johann Sebastian Bach (1685-1750) – Leipzig Chorales – Jesus Christus unser Heiland (BWV 665)
  • Christian Erbach (ca. 1570-1635) – Ricercar in d
  • Alexandre Boe?ly (1785-1858) – Op. 12 N° 8 – Récit de la main gauche sur jeu de tierce
  • Johann Sebastian Bach (1685-1750) – Kleine Orgelmesse – Dies sind die heiligen 10 Gebot (BWV 679)
  • Alexandre Boe?ly (1785-1858) – Domine Deus, Agnus Dei en andante, Op. 10 N° 11
  • Alexandre Boe?ly (1785-1858) – Dernier Kyrie, Versailles Ms 170
  • Alexandre Boe?ly (1785-1858) – La voix humaine avec le trembland doux et tous les fonds, Op. 10 N° 2
  • Johann Sebastian Bach (1685-1750) – Prélude et Fugue en sol mineur (BWV 535)
  • Etilmon Justus Stark (1867-1962) – Classic Rag “Kyrene”

Jean-Luc Iffrig am Weißenburger Instrument

Heute fand ein tolles Konzert mit Jean-Luc Iffrig statt. Seine Spieltechnik und saubere Rhythmik haben mich genauso beeindruckt wie die erfrischende Registrierung. Das Programm:

  • Georg Muffat (1653-1704) – Toccata Prima
  • François Couperin (1668-1733) – Messe des paroisses – Plein Jeu (Et in terra pax)
  • François Couperin (1668-1733) – Messe des paroisses – Petite fugue sur le cromorne
  • François Couperin (1668-1733) – Messe des paroisses – Dialogue
  • François Couperin (1668-1733) – Messe des paroisses – Trio à 2 dessous de chromhorne et la basse de tierce
  • François Couperin (1668-1733) – Messe des paroisses – Tierce en taille
  • François Couperin (1668-1733) – Messe des paroisses – Dialogue sur les Grands Jeux
  • Johann Sebastian Bach (1685-1750) – Leipziger Choräle – Schmücke dich, o liebe Seele (BWV 654)
  • Alexandre Boëly (1785-1858) – Rentrée de la procession N° 14 Op. 42
  • Alexandre Boëly (1785-1858) – Prélude d’orgue à 2 clavier séparés et pédale obligé Op. 18 N° 2
  • Alexandre Boëly (1785-1858) – Andante con moto Op. 18 N° 2
  • Alexandre Boëly (1785-1858) – Tierce en taille Op. 12 N° 8
  • Alexandre Boëly (1785-1858) – Grand Chœur N°4 Op. 10

Elise Rollin am Weißenburger Instrument

Auch die diesjährige Saison verspricht wieder exzellenten Musikgenuss, so wie heute mit Elise Rollin. Es ist, soweit ich mich erinnern kann, das erste Mal, dass ich einen Sweelinck wirklich genossen habe. Über den sehr gut gespielten Böhm, der auch auf meiner Wunschliste steht, habe ich mich ganz besonders gefreut. Hier das Programm:

  • Jan Pieterszoon Sweelinck (1562-1621) – Sous les Verts Tilleuls – Thème suivi de trois variations
  • Georg Böhm (1661-1733) – Vater unser im Himmelreich
  • Johann Sebastian Bach (1685-1750) – Toccata und Fuge in d-moll (BWV 565)
  • Joseph Haydn (1732-1809) – 4 pieces pour une horloge à Flûte
  • Johann Sebastian Bach (1685-1750) – Antonio Vivaldi (1678-1741) – Concerto en la mineur (BWV 593) – Allegro (1er mouvement)
  • Francois Couperin (1668-1733) – Extraits de la Messe des Couvents – Plein Jeu, Chromhorne sur la taille, Duo sur les tierces, Recit de cornet et Tierce en taille
  • Claude Joseph Rouget de l’Isle (1760-1836) – Marseillaise

Techniken des (Orgel) Übens

Playing the piano

Aus verschiedenen Quellen suche ich derzeit einige Übetechniken zusammen, die ich zum Einsatz bringen möchte. Die meisten davon sind nicht instrumentenspezifisch.

Motivation

Wenn sich Menschen die Zeit nehmen, ein Musikstück zu hören, so möchten sie es genießen. Wenn ich der Instrumentalist bin, habe ich somit die Aufgabe übernommen, für genau diesen Genuss zu sorgen. Ohne diese starke intrinsische Motivation wüsste ich nicht, wie ich die enorme Energie zur harten Übearbeit aufbringen sollte.

Da ich mit dem Üben sehr viel Zeit verbringe, muss das Üben mindestens genauso viel Spaß machen wie hinterher die Aufführung. Den Übevorgang betrachte ich daher mittlerweile als willkommene Meditation in Stunden der Freizeit.

(Fern)ziel

Derzeit ist es ein enormer Unterschied, ob ich Jazz spiele oder barocke Literatur.

Bei ersterem spiele ich locker und unbeschwert. Ich habe eine Melodie, eine Harmonie oder eine Rhythmik im Kopf und mein Bewegungsapparat überträgt sie automatisch auf das Instrument. Währenddessen kann ich dabei zuhören und dadurch das Spiel kontrollieren.

Ziel ist es somit, auch die Literatur so gut einzustudieren, dass der Bewegungsapparat vollkommen automatisiert die Musik spielt, die in meinem Kopf abläuft. Es ist daher nur konsequent, dass es nicht nur im angelsächsischen Raum üblich ist, die Stücke komplett auswändig vorzutragen.

Jon Laukvik hat es sehr schön zusammengefasst:

Der Übeprozeß führt, spieltechnisch gesehen, vom bewußten Tun zum unbewussten Geschehenlassen.

Fragmente bilden

Eine der wichtigsten Techniken, die ich neuerdings anwende, ist das Zerlegen des Stückes in kurze Fragmente. Die Länge der einzelnen Fragmente wird natürlich vom Schwierigkeitsgrad des Stückes abhängen. Grundsätzlich dürfte aber eine Länge von vier bis acht Takten eine gute Richtgröße darstellen.

Jon Laukvik empfiehlt, die Fragmente überlappend zu bilden, damit auch gleich die Übergänge von einem zum nächsten mitgeübt werden kann.

Außerdem achte ich darauf, dass die Fragmente immer aus vollständigen Takten bestehen. Notfalls füge ich bei Auftakten Füllnoten ein, so dass ich das Fragment nahtlos in Schleife mehrfach hintereinander im korrekten Puls üben kann, ohne abzusetzen.

Die Konzentration lässt nach wenigen Durchläufen sehr schnell nach. Mehr als vier bis fünf Schleifendurchläufe pro Fragment übe ich daher nur noch in Ausnahmefällen. Stattdessen gehe ich zu einem anderen Fragment, dann zu einem weiteren, und komme dann wieder zum zuerst geübten zurück. Um das Kurzzeitgedächtnis zu überlisten wähle ich dabei inzwischen eine zufällige Reihenfolge der Fragmente, eine Technik, die ich in »Optimal üben« fand. Gleichzeitig achte ich darauf, jedes Fragment mehrmals pro Übesitzung zu üben, also nicht nur einen Durchlauf, sondern später erneut.

In mehreren Quellen fand ich auch die Empfehlung, die Fragmente vom Ende des Stückes her zuerst zu üben, da der Schlussteil andernfalls am wenigsten trainiert würde.

Fuß- und Fingersätze erarbeiten

Bei der Applikatur befinde ich mich in einer argen Zwickmühle. Zu Beginn des Übeprozesses weiß ich üblicherweise noch nicht, wie ich das Stück später einmal klingen lassen möchte. Also erarbeite ich erstmal einen Fingersatz, der ein weitestgehendes Legato ermöglicht. Dazu sind teils auch “Verrenkungen” wie Daumenuntersätze nötig. Jetzt beginne ich mit der Automatisierungsarbeit.

So wie ich das Stück besser kennenlerne, fange ich unter musikalischen Gesichtspunkten an, einzelne Noten kürzer als ihren Nennwert zu spielen, Ornamente wie Triller einzubauen und so weiter. Dadurch verändert sich leider der Fingersatz, der bereits automatisiert ist. Ich verliere also ein wenig des bereits geübten und muss es erneut automatisieren.

Ich gehe übrigens mit den “magischen Zahlen” im Notentext sparsam um. Fingersätze schreibe ich an Stellen, an denen eine Stimme einsetzt und an Stellen, bei denen der Fingersatz von der natürlichen Reihenfolge abweicht. Bei Daumenuntersätzen und Ähnlichem schreibe ich auch an die Note davor und danach den zu verwendenden Finger. Bei Trillern, die auf der Sekunde beginnen, schreibe ich den Finger in Klammern.

Langsam üben

Hieran versuche ich mich gerade zu gewöhnen – langsam üben. Jon Laukvik weist auf Seite 105 darauf hin, wie wichtig diese Technik für das Automatisieren der – korrekten – Bewegungsabläufe ist. Mir fällt es im Moment extrem schwer, das Tempo so stark zu drosseln. Laukvik empfiehlt übrigens auch im späteren Übestadium immer wieder mal langsam zu üben, sogar noch am Tag vor der Aufführung.

Mit Metronom üben

Ich habe viele Spieltische gesehen, aber sehr selten (wissentlich überhaupt nicht) ein Metronom. Sobald die Mechanik halbwegs läuft übe ich eine Weile mit Metronom. Ich habe dadurch immer wieder haarsträubende rhythmische Fehler ausmerzen können. Andererseits setze ich es auch schnell wieder ab, sobald ich mich sicher fühle, um mich nicht abhängig davon zu machen.

Übeaspekt wählen

Für jede Übesitzung sollte ich mich künftig für einen bestimmten Aspekt (ein “Ziel”) des Übervorgangs entscheiden. Zu Anfang der Erarbeitung eines Stückes wird es natürlich primär darum gehen, die richtigen Tasten zum richtigen Zeitpunkt zu drücken und wieder loszulassen. »Optimal üben« enthält allerdings eine Reihe von neuen Ideen für das fortgeschrittene Übestadium (wie beispielsweise verschiedene Variationen eines Fragmentes auszuprobieren), um die Spielsicherheit zu steigern.

Augen schließen, auswändig spielen

Je länger die Passagen sind, die man unabhängig von den Noten spielen kann, desto besser für den Fall, dass man beim Vortrag mal den Kontakt zu den Noten verliert. Vor kurzem habe ich daher begonnen, beim Wiederholen von Fragmenten gelegentlich die Augen zu schließen. Allerdings muss ich dabei höllisch aufpassen, mit dem vorhergesehenen Fingersatz weiter zu arbeiten, und nicht versehentlich einen anderen zu verwenden. Diese Technik darf ich daher nicht zu früh einsetzen.

Berg abbauen

Vor mir liegt sehr viel Arbeit, nämlich das Üben üben. Letztlich muss ich mein komplettes bisheriges Repertoire erneut üben, um es zuverlässig zu beherrschen. Denn ich muss sehr viele Dinge, die sich durch die beisherige mangelhafte Übetechnik eingeschliffen haben, wieder ausbügeln.

Ich bin gespannt, ob ich das durchziehen werde.

Weitere Quellen

Quellen zum Thema »Orgel üben«

Czerny Opus 821 Nr 1

Vor ein paar Wochen habe ich während eines kleinen Vortrages zweimal den Kontakt zu den Noten verloren, weil ich kurz auf die Tastatur schaute. Das Resultat ist die Horrorvorstellung eines jeden Musikers – nämlich das Aussteigen aus dem Stück.

Wie kommt es dazu, obwohl ich doch seit nurmehr gut zweieinhalb Jahren sehr viel Zeit in das Erarbeiten der Stücke investierte?

Falsche Übetechnik, so die triviale Antwort. Ich arbeite nach wie vor mit der Technik der rohen Gewalt, indem ich die Stücke immer wieder im Zieltempo von vorne bis hinten durchspiele. So lässt sich ein zuverlässiges Beherrschen der Stücke kaum bewerkstelligen, zumindest nicht mit absehbarem zeitlichen Aufwand.

Dass ich meine Übetechnik dringend professionalisieren sollte, weiß ich schon länger. Zum Übevorgang selbst fand ich allerdings erstaunlich wenig Informationen, die mir weitergeholfen hätten. Daher seien hier Quellen gelistet, die ich derzeit verwende, um eine bessere Technik zu erarbeiten.

Aus diesen Quellen gilt es jetzt, für mich geeignete Techniken zusammenzusuchen und anzuwenden, soweit noch nicht erfolgt.

Les Vespérales 2018

Yesterday the program of this year’s vespers, which is the 7th season BTW, was published. Once again we’ll travel to Wissembourg each sunday to listen to the outstanding sound of the Dubois organ. Thanks to all involved in the organisation of the events.

My worst performance ever

SAMSUNG CSC

Today I once again performed at the Dubois organ for some familiy members. Compared to 2015, 2016 and 2017, I felt relatively calm and well prepared. I played the program of about 35 minutes at home two days ago, yesterday, and one of the pieces this very morning at the target instrument. Not to mention the on-site practice sessions during the last couple of weeks.

Surprisingly, it turned into the worst performance I ever did – I lost contact to the sheet music two times. One time I had to resume the pièce, the other I finished a section a couple of bars earlier as intended. This very eve is the occasion to reflect what issues led to this situation.

  • Despite many practicing hours, I do not cope perfectly with the pieces yet.
  • The instrument is different than my practising instrument, so additional distractions happen every now and then.
  • The two points are based on my lack of professional practicing habits.

Interestingly, the pieces I play the longest failed most, whereas pieces I thought could fail worked better than expected. Here’s what I played this year:

  • Abraham van den Kerckhoven (1618-1702) – Cocquiel-Manuscript (1741) – Prelúdium & Fúga (en Ré mineur) – screwed up completely
  • Johann Pachelbel (1653-1706) – Chaconne (en fa mineur) – minor imperfections
  • Louis-Nicolas Clérambault (1676-1749) – Premier Livre d’Orgue – Suite du lle Ton (en sol mineur, 1710)
    • Plein Jeu – minor imperfections
    • Duo – minor imperfections
    • Basse de Cromorne – screwed up completely
    • Récit de Nazard – minor imperfections
    • Caprice sur les Grands Jeux – minor imperfections
  • François Couperin (1668 – 1733) – Messe a l’usage des Paroisses (en sol mineur, Paris 1690) – Benedictus (Chromhorne en taille)

Ettlinger Orgelfrühling 2018 – Helmut Deutsch

Ein mit bis zu 30°C sehr heißes Aprilwochenende neigt sich dem Ende zu.

Heute Abend hat Helmut Deutsch den Ettlinger Orgelfrühling 2018 eröffnet. Er spielte die barocke Musik auf der Stieffell-Chororgel, den Rest des Konzertes auf dem Instrument von Matz & Luge. Das Programm:

  • Johann Sebastian Bach (1685-1750) – Fantasia in G-Dur aka Pièce d’Orgue (BWV 572) – Très Vitement, Gravement, Lentement
  • Johann Pachelbel (1653-1706) – Partite sopra il corale »Was Gott tut das ist wohlgetan«
  • Olivier Messiaen (1908-1992) – Livre du Saint Sacrement – Méditation Nr. X – «La Résurrection du Christ»
  • Olivier Messiaen (1908-1992) – Pourquoi cherchez-vous parmi les morts Celui qui est vivant
  • Sigfrid Karg-Elert (1877-1933) – Aus 66 Choralimprovisationen Op. 65 Nr. 26 – »Jesu hilf siegen, du Fürste des Lebens«
  • César Franck (1822-1890) – Grande pièce symphonique Op. 17

Ich bin ziemlich beeindruckt. Eine solche Qualität werde ich als Laie niemals liefern können.

Orgel, Oboe und Flöte am Weißenburger Instrument

Heute durften wir Pascal Reber (Orgel), Joëlle Stussi (Oboe) und Nathalie Cawdrey (Flöte) in Wissembourg hören. Hier das Programm:

  • François Couperin (1668-1733) – Messe pour les Paroisses – Offertoire sur les grands jeux
  • Giovanni Benedetto Platti (ca. 1697-1763) – Sonate en trio en Sol Majeur
  • Johann Sebastian Bach (1685-1750) – Schmücke dich, o liebe Seele (BWV 654)
  • Georg Philipp Telemann (1681-1767) – Sonate en trio en la mineur
  • Johann Gottfried Walther (1684-1748) – Concerto en si mineur
  • Carl Philipp Emanuel Bach (1714-1788) – Sonate en trio en ré mineur

Die drei Musiker waren offensichtlich sehr gut vorbereitet und haben ein Konzert geboten, dass uns noch lange in bester Erinnerung bleiben wird.

Georg Böhm – Vater unser im Himmelreich – Sheet music release

Georg Böhm used the chorale »Vater unser im Himmelreich« to write two pieces. Both have been attributed to Johann Sebastian Bach in former times. Thus they are also known as BWV-760 and BWV-761.

There are two editions of BWV-760 published by Breitkopf & Härtel. The later publication »Georg Böhm (1661-1733), Sämtliche Werke für Orgel« of Klaus Beckmann contains far less ornaments than the earlier »Georg Böhm (1661-1733), Sämtliche Werke für Tasteninstrumente« by Gesa respectively Johannes Wolgast. The International Music Score Library Project offers a Scan of the issue of 1927. The piece can be found in volume 2 on page 136. Menno van Delft played it on a historic instrument of Arp Schnitger.

Bernard Greenberg offers the Beckmann version via musescore.com. I used his work to transform the score into the Wolgast version by adding the ornaments according to the scan. The archive contains three files:

  • The three pages of the piece of the scanned document.
  • The Muse Score sheet music file (so you can taylor it to your likings).
  • A PDF of the score.

Have fun playing it.

Georg Böhm – Vater unser im Himmelreich

Im Bachwerkeverzeichnis sind drei Bearbeitungen des Luther’schen Chorals »Vater unser im Himmelreich« als BWV-760, BWV-761 und BWV-762 gelistet, wovon die ersten beiden inzwischen Georg Böhm zugeschrieben werden. Unter anderem hat Aldo Locatelli BWV-761 eingespielt.

Ich beschäftige mich derzeit mit BWV-760. Noten finden sich in einer weniger verzierten Fassung beispielsweise bei Breitkopf & Härtel als »Georg Böhm (1661-1733), Sämtliche Werke für Orgel« von Klaus Beckmann. Auch von Bernard Greenberg gibt es eine weniger verzierte Version auf musescore.com.

Zum anderen findet sich ebenfalls bei Breitkopf & Härtel »Georg Böhm (1661-1733), Sämtliche Werke für Tasteninstrumente« von Gesa (bzw. Johannes) Wolgast, die reich an Ornamenten ist. Das International Music Score Library Project bietet einen Scan der Ausgabe von 1927 an. Das Stück findet sich in Band 2 auf Seite 136. Menno van Delft hat das Werk an einem Instrument von Arp Schnitger ziemlich beeindruckend eingespielt.

Auf bach-cantatas.com finden sich verschiedene Melodiefassungen des Chorals, darunter ein Abzug des Werkes von Böhm, in dem die Melodietöne farblich hervorgehoben sind.

Die Pedalstimme besteht ausschließlich aus durchlaufenden Achtelnoten. Auch in der linken Hand finden sich viele Achtelnoten, die den Puls des Stückes stützen. Nur an wenigen Stellen finden sich ein paar Sechzehntelnoten. Die Solostimme der rechten Hand setzt am Ende des sechsten Taktes ein. Hier finden sich zahlreiche Ornamente wie Triller, Mordente, Vorschlagnoten und Umspielungen, die nicht einfach zu verstehen sind. Beim Üben kommt es sehr leicht vor, dass ich im Pedal – fast im wahren Sinne des Wortes – “aus dem Tritt” komme, also den durchlaufenden Puls verliere. Die Sechzehntelnoten interpretiere ich ternär – für mich ist das Stück ein gutes Indiz dafür, dass Notes inégales – »Die ungleichen Geschwister« auch den Komponisten im deutschen Sprachraum bekannt waren.

Ich bin gespannt, ob ich das Stück konzerttauglich hinbekommen werde.